Kirche Brunegg 1
Geschichte Kirche Brunegg

Geschichte der Kirche Brunegg

Von Paul Urech

Politische Veränderungen

Brunegg war, wie das Eigenamt, bis ins 14. Jahrhundert der Urpfarrei Windisch zugeteilt. Bei der Gründung der Tochterkirche Birr wechselte unser Dorf die Zugehörigkeit zu dieser Kirche, der wir bis heute angehören. Nach der Eroberung des Aargaus 1415 durch die Eidgenossen wurde Brunegg politisch der Vogtei Windisch zugehörig. Im Jahre 1798 wurde unser Dorf der Vogtei Lenzburg zugewiesen. Bei der Gründung des Kantons Aargau, 1803, wechselte Brunegg zum Bezirk Brugg. Laut einem Grossratsbeschluss vom Jahre 1840 wurde Brunegg wieder dem Bezirk Lenzburg und dem Kreis Othmarsingen zugeteilt. Die Dorfbevölkerung war damit nicht einverstanden. Bei den Grossratswahlen von 1841 leistete sie grossen Widerstand.

Erst 1842, nach energischem Eingreifen der Direktion des Innern, wurde die amtliche Übergabe der Akten von Brugg nach Lenzburg vollzogen. Geblieben ist seither weiterhin die Zugehörigkeit zur Kirchgemeinde Birr. Sie stellte auch den Friedhof für die sechs Gemeinden, die ihr angehören (Birr, Lupfig, Scherz, Schinznach-Bad, Birrhard und Brunegg).

Trauerzug nach Birr

Bis 1965 bestattete man alle Verstorbenen von Brunegg in Birr. Nach Aussagen von älteren Einwohnern wurden die Verstorbenen bis Ende des 19. Jahrhunderts auf einer Tragbahre nach Birr auf den Friedhof getragen. Zu diesem Zweck waren acht Männer als Bahrenträger eingeteilt, je vier lösten sich jeweils im Tragen der Bahre ab. Dem Sarg folgten die Kranzträger und anschliessend ein langer Trauerzug. Der Brauch wollte es, dass dem Sarg zuerst die männlichen Angehörigen folgten, dann die weibliche Verwandtschaft und etwas weiter hinten Freunde, Bekannte und die männliche Dorfbevölkerung. Den Schluss des Leichenzuges bildeten die Frauen. Es war Sitte, dass trotz des halbstündigen Weges zum Birrer Friedhof fast die ganze Dorfbevölkerung am Begräbnis teilnahm. Später ersetzte man die Tragbahre; man spannte ein Pferd vor einen Leichenwagen. Der Brauch des Leichengeleites blieb sich gleich.

Bei einem Todesfall bestellte die Gemeindekanzlei die „Leichenbitterin“. Diese begab sich von Haus zu Haus, um den Todesfall und das Datum der Beerdigung anzuzeigen. Auch der Leichenwagen mit Mann und Pferd wurde aufgeboten. Dieser wurde von der Nachbargemeinde Möriken zur Verfügung gestellt. Mit der Zeit wurde die Leichenbitterin durch die modernere Post abgelöst, die seither auf Kosten der Gemeinde in alle Brunegger Haushaltungen eine Todesanzeige bringt.

Der eigene Friedhof

Ich erinnere mich, dass schon während meiner Schulzeit die ältere Generation den Wunsch nach einem eigenen Leichenwagen oder sogar einem in Brunegg gelegenen Friedhof hatte.

Dieser lang gehegte Wunsch konnte 1965 in die Wirklichkeit umgesetzt werden. Ein älterer, in Dättwil lebender Brunegger, Jakob Urech, alt Landwirt, überreichte unserem Gemeindeammann einen grösseren Geldbetrag, mit der Auflage in Brunegg einen Friedhof zu erstellen.

Der damalige Gemeindeammann, Walter Renold, war sehr weitsichtig. Er rechnete sich aus, dass falls die Brunegger im Frondienst arbeiten würden und eventuell noch einige Spenden dazukämen, es möglich sein sollte, zum Friedhof noch eine Abdankungshalle zu bauen. Als der Gemeindeammann an der nächsten Gemeindeversammlung unter dem Traktandum „Friedhof“ die gute Nachricht von der Geldspende und seine Idee bekannt gab, war die Begeisterung sehr gross. Es kam dann gar soweit, dass Walter Renold mit dem Planen einer kleinen Kirche beginnen konnte.

Als der Initiant der Friedhofanlage, Jakob Urech von Dättwil, vom erweiterten Vorhaben erfuhr, erhöhte er seine Spende von anfänglich 36’000 Franken auf 46’000 Franken. Professor Jean Rudolf von Salis übernahm die Kosten von 500 Säcken Zement. Manche Leute, die aus irgendwelchen Gründen keinen Frondienst leisten konnten, spendeten kleinere oder grössere Geldbeträge. Der Landfrauenverein organisierte auf dem grossen Platz beim Schlachthüsli sowie beim Hausplatz der Schreinerei Renold ein grosses Dorffest. Die Tanzbühne errichtete man über dem Garten der Familie Renold. Getränke, Bauernbrot, Würste, Raclette und Kuchen wurden angeboten. Nach dem gelungenen Fest, welches auch von den Einwohnern unserer Nachbargemeinden gut besucht wurde, konnte der Landfrauenverein unserem Gemeindepräsidenten 6‘000 Franken übergeben. Verschiedene Firmen honorierten die Fronarbeit am Bau der Kirche, indem sie für ihre Lieferungen keine Rechnung stellten.

Der Standort der Anlage wurde bestimmt und ein Wald- und Landabtausch vollzogen. Im gleichen Jahr begann man ein Stück Wald zu roden und die nötigen Planierungen vorzunehmen. Als erstes sollte die Friedhofanlage erstellt werden. Als die Umgebungsmauer gebaut wurde, arbeiteten die Männer nicht nur an freien Samstagen, sondern fast jeden Abend. Die Leitung übernahm Baumeister Ernst Urech. Ab ca. 19.30 Uhr arbeiteten sechs bis zehn Mann auf der Baustelle. Abwechslungsweise gruben die Männer fünf Meter für das Fundament aus und schalten es ein oder sie betonierten einen Abschnitt. Bei den Frondienstleistenden war viel Motivation und Freude an der Arbeit zu spüren. Entsprechend wurden sie jeweils von den Brunegger Frauen verwöhnt. Fast jeden Abend brachten sie nach 21 Uhr Kaffee und Kuchen. Obwohl die Friedhofanlage und die Kirche noch nicht fertig erstellt waren, wurden ab 1966 die verstorbenen Brunegger auf dem wunderschönen, am Waldrand gelegenen Friedhof beerdigt. Der grosse Traum, im eigenen Dorf die letzte Ruhestätte zu finden, ging so für die Brunegger in Erfüllung.

Ein grosszügiges Geschenk

Auch an der Kirche gingen die Arbeiten zügig voran. Unser Gemeindeammann war nie um eine Idee verlegen und brachte damit immer wieder zusätzliche Impulse ins Geschehen.

Als nun der Friedhofbau und die Kirche langsam Gestalt annahmen, wurde das Kirchengeläut ein Thema. Aus der Mitte der Kirchenpflege kam die Idee auf, dass man den Bruneggern als Anerkennung für die geleistete Arbeit eine der drei Glocken schenken könnte, die man vor Jahren in der Kirche Birr durch neue ersetzt hatte. Die Wahl fiel auf eine über 320 kg schwere Glocke aus dem 15. Jahrhundert. Die alten Birrer Glocken hatte man seinerzeit vor dem Pestalozzigrab aufgestellt.

Nun begann das Planen von neuem. Für die geschenkte Glocke musste ein Turm gebaut werden. Walter Renold hatte sich überall umgesehen und in Buochs eine in Frage kommende Form gefunden. Schon am folgenden Sonntagmorgen organisierte er eine Besichtigungstour in die Innerschweiz. Seine Vorwahl fand grosse Zustimmung. Somit konnten sich die Verantwortlichen dieser neuen Aufgabe zuwenden. Aus vier starken Lärchenbalken und einer Holzverschalung wurde nun neben der Kirche ein 14 Meter hoher Turm mit Eternitdach errichtet. Die damaligen Viert- und Fünftklässler, auch unsere Ruth war dabei, schrieben Aufsätze über verschiedene Vorkommnisse während der Bauzeit sowie über unser Dorfleben. Diese Aufsätze sind im Wetterhahn auf der Kirchturmspitze für eine spätere Generation aufbewahrt.

Die von der Kirchgemeinde Birr geschenkte Glocke brachte man in die Glockengiesserei Rüetschi nach Aarau. Dort wurde sie aufgefrischt und neu gestimmt. Am 17. Dezember 1966, nach der Erstellung des Kirchturms, konnte die Glocke in Aarau abgeholt werden. Für Brunegg war das ein Freudentag. Ein schmucker Zweispänner mit bekränztem Wagen fuhr in aller Frühe nach Aarau. Wer irgendwie Zeit fand, fuhr mit dem Auto unserer Glocke entgegen. Am Nachmittag säumten viele Leute die Strasse, als der Wagen mit der Glocke, begleitet von der Schuljugend und der Behörde, in einem feierlichen Umzug zur Kirche fuhr.

Am 17. Dezember 1966 fand der feierliche Glockenaufzug statt. Die Glocke wurde in Aarau restauriert und mit einem Pferdegespann von Aarau nach Brunegg transportiert. Fast alle Dörfer grüssten unsere Glocke auf dem Fuhrwerk mit ihrem eigenen Kirchengeläut. Die rund sechshundertjährige Glocke trägt den lateinischen Betruf „Jesus Christus, König der Herrlichkeit, komm und bring uns Frieden“.

Die Glocke wurde durch Herrn Pfarrer Walti eingesegnet und von den Schülern in den Turm hochgezogen. Der damalige  Gemeindeammann und Mitinitiant des kirchlichen Projekts, Walter Renold, dankte allen, die durch unzählige Arbeitsstunden oder durch Spenden zum Gelingen dieses Bauwerks beigetragen hatten. Anschliessend wurden alle Anwesenden zu einem „Zobig“ in den Gasthof Sternen eingeladen. Noch am gleichen Abend ertönte zum ersten Mal die Glocke über das Dorf hinweg. Seither ruft sie uns in Freud und Leid zusammen.

Der grosse Tag

An der Kirche, am Turm und an der Friedhofanlage wurden die letzten Arbeiten abgeschlossen, so dass am 29. Oktober 1967 die Anlage feierlich eingeweiht werden konnte.

Am Sonntagmorgen um 9.00 Uhr läutete die Kirchenglocke zum Festgottesdienst. Für die offiziellen Feierlichkeiten fand sich die Dorfgemeinschaft am Nachmittag zusammen. Ein „Zobig“ im Gasthof Sternen rundete diesen denkwürdigen Tag ab.

Dank diesem einmaligen, durch Fronarbeit und Gemeinsinn geprägten Einsatz der Dorfbevölkerung konnte die Kirche samt Friedhofanlage der Gemeinde schuldenfrei übergeben werden. Fritz Urech-von Dach betreute die Kirche als Sigrist 25 Jahre lang. Jeden Samstagabend läutete er den Sonntag ein, und am Sonntagmorgen lud er mit dem Geläut die Gläubigen zum Gottesdienst. Die Glocke brachte er mit einem Seil von Hand zum Klingen.

Da Betrieb und Unterhalt einer Kirche nicht die Aufgabe einer politischen Gemeinde ist, wurden Kirche und Friedhof am 27. Juni 1973 in eine Stiftung eingebunden. Es flossen immer wieder Beiträge aus verschiedensten Kreisen in die Stiftung. Der geheime Wunsch nach zwei weiteren Glocken wurde immer lauter. Nachdem sich zwei Gönner gemeldet hatten, die je eine Glocke spenden wollten, wurde das Anliegen realisierbar. Der Stiftungsrat liess die Kosten für Installation und Elektrifizierung berechnen. Die Offerte belief sich auf ca. Fr. 31’000.-. In einem Rundschreiben wurden die Einwohner von Brunegg informiert und zugleich um eine Spende gebeten. Das benötigte Geld war bald beisammen. Die beiden Glocken wurden in Aarau gegossen und am Glockenturm die benötigten Vorrichtungen angebracht.

Mit dem Glockenaufzug vom 14. Dezember 1991, wurde, 24 Jahre nach der Einweihung, ein weiteres Stück Kirchengeschichte feierlich besiegelt.